Kommentar zum Artikel von Susanne Loacker „Surfen als Segen und Fluch für Hawaii „
Der Artikel im Tagesanzeiger gefällt mir gut. Ein jeder Surfer mit Reiseerfahrung weiß jedoch, dass man das Thema Surfen Segen oder Fluch für …….(hier kann man x-beliebige Destinationen einfügen) nicht auf 2 Seiten abhandeln kann. Der Fairness halber muss ich aber auch sagen, dass die Autorin dieses Artikels sich das auch nicht zum Ziel gesetzt hat.
Ich nutze die Chance meinerseits um dieses Thema nun aufzugreifen und etwas weiterzuführen.
Hawaii- der Ursprungsort des Surfens. Surfen Segen oder Fluch? Eine Frage die man weder mit Ja oder Nein beantworten kann. Das kommt sehr auf die Perspektive des Betrachtes an. Da wäre zum Beispiel der Hawaiianer, der an der North Shore aufgewachsen ist und seinen Fuß noch nie auf eine andere Insel gesetzt. Im Gegensatz könnte man auch den Aussie Backpacker nehmen, der für eine Saison nach Hawaii kommt, um zu surfen. Dazwischen gibt es jedem erdenklichem Charakter.
Damit ich nicht ins spekulieren komme, nehme ich die Perspektive, die mir am einfachsten scheint, nämlich meine Eigene, die eines eingewanderten Schweizers, der mit seinem Akzent so Haole* (Hauli) ist wie sonst keiner.
*Gängige Bezeichnung für die weiße Bevölkerung Hawaiis
Haoleism- lerne dein Umfeld
Ja ich bin in der Minorität hier. Das ist aber ne gute Erfahrung, weil ich auf diese Weise erleben kann, wie es denn Immigranten in Europa gehen muss. Auf der Straße macht das einen kleinen Unterschied, aber im Line Up ist es schon anders. Die Surfer in einer Lokalgemeinde kennen alle einander, wenn da ein Neuer auftaucht wird der erst mal schräg angeschaut. Wie das neue Kind in der Schule. Mir war im vornherein klar wie das Spiel funktioniert, deshalb habe ich mich immer etwas weiter an der Shoulder aufgehalten und so erst mal heraus gefunden, wer wer ist. Nach 2 Wintern kennt man die Gesichter und weiß, wer so in etwa zusammen gehört. Ich würde die Surfer in meinem Umfeld folgend gruppieren:
Haole High School Kids mit Ambitionen
– Clay Marzo, der bekannte lokale Surfer, ging aus dieser Gruppe hervor.
60iger Longboarder
– Die meisten sind easy und sind selber vor 30 Jahren zugewandert
Teenagegirls
– Die werden immer unterbewertet
Hardcore Lokals
– Denen muss man aus dem Weg gehen- auch auf der Straße.
Eingewanderte Surfer-Hippies vom Festland
– Die sind meistens nur temporär hier.
Normalos die einfach nur genießen wollen
– Bei denen stehen der Sport und die Herausforderung im Vordergrund.
Wir wollen aber unsere Kernfrage nicht vergessen: Surfen Segen oder Fluch für Hawaii? Wie gesagt kommt das auf die Perspektive an. Ich bin sicher ein jeder von Euch kann sich in etwa denken, wie die oben genannten Gruppen diese Frage beantworten würden.
Surf als Segen
Der Export von Surfen hat Hawaii zum Olymp der Surfwelt gemacht. Die Surfindustrie macht Milliardenumsätze pro Jahr und hat hier auf Hawaii viele Arbeitsstellen geschaffen. Lokale Marken wie DaHui oder DaKine sind international bekannt und haben deren Besitzer und Familien reich gemacht. Nicht nur die Surfindustrie profitiert sondern auch der Tourismus, Hawaiis Nummer 1 Einkommen. Die Triple Crown des Surfens bringt Millionen von Dollar nach Hale’iwa und Sunset. Jedes Jahr pilgern tausende von Surfern nach Hawaii, die alle eine Unterkunft brauchen, die essen und shoppen gehen und damit die lokale Wirtschaft unterstützen.
Summa summarum: Surfen als Segen für die lokale Wirtschaft und Prosperität.
Surf als Fluch
Bleiben wir noch etwas an der North Shore von O’ahu. Nicht für alle ist dieser all jährliche Zirkus ein Segen. Der Verkehr hat sehr stark zugenommen, Autos parkieren wo immer es geht. Vor Waimea Bay bildet sich ein Stau bis zurück nach Hale’iwa (ca. 6km). Locals sind an den guten Tagen bei Pipeline oft Zuschauer, weil die Welle wegen Contests oft gesperrt ist. An den übrigen Tagen zählt man gut 50 Leute im Wasser. Kein Wunder dass sich die Locals zusammen gerauft haben um da Ordnung zu schaffen (Früher DaHui abgelöst von der Pipeline Posse).
Dieser Zirkus zieht auch Investoren an, die dann das übrige Land überbauen wollen, weil ein Jeder ein Stück Hawaii besitzen will. Leider ist aber nicht immer genügend Platz für alle und die Locals beginnen sich zu wehren. Deshalb kriegt auch manchmal ein Unschuldiger Haole eins auf die Schnauze, auch wenn er nichts mit der Sache zu tun hat.
Summa Summarum: Surfen als Fluch für die Umwelt durch Überbevölkerung und ungewissenhaftes Überbauen der Natur und Riffe, die dadurch Schaden nehmen.
Honolulu um 1935
Localism – was ist die Lösung?
Fremdenhass? Einerseits verständlich, aber mit ein bisschen Information und Ausbildung ließe sich dieses Problem einfach aus dem Weg schaffen. Das Problem hier ist, wie überall dasselbe: Fremdenhass, Ignoranz, Gewalt und Drogen gehen oft Hand in Hand, stimuliert durch schlechte oder keine Ausbildung, Gewalt in der Familie und keine Aussicht auf Besserung. Wenn sich die Leute bedrängt fühlen werden viele gewalttätig. Die Aggressionen gehen aber leider oft in die falsche Richtung.
Haoleism – was ist die Lösung?
Wenn immer ich hier mit jemanden eine Konversation führe und es ums Thema Überbauen, zu viele Autos und Wohnungsnot geht, sage ich immer eines ganz klar: Ich bin nicht in der Position mich zu beschweren, auch ich habe ein Auto mehr auf die Straßen hier getan, bin eine Person mehr im Line Up und bezahle eine zu hohe Miete. Ich verstehe, was es heißt hier zu leben, sich anzupassen, dies war mein Lebenstraum. Deshalb habe ich nicht das Recht zu meckern. Eines empfinde ich jedoch stark: Wenn ich hier aufgewachsen wäre, dann wäre ich so was von angepisst, aber nicht wegen den Leuten, die hierher gezogen sind, sondern wegen den lokalen Politikern, die den Frevel erlaubt haben und sich selber dabei noch bereichert haben . Ich glaube der Respekt zur hawaiianischen Kultur kam und kommt immer noch zu kurz. Oft auch in der lokalen Politik.
Hier hat noch viel mit Respekt zu tun, auch im Surf kommt es nicht unbedingt auf die Hautfarbe darauf an. Wenn jemand den Locals Respekt zollt und oben drauf noch einer ist, der Mut in den Wellen beweist, kommt der Respekt auch zurück. Surfen ist tief in der Kultur Hawaiis verankert. Wir surfen hier Wellen, die einst nur von den Ali’i (Könige) gesurft wurden durften. Je grösser die Welle, desto mehr Respekt bekam so ein Ali’i. Das kennen wir heute auch noch: Wenn es um die Höhe der Wellen geht trennt sich die Spreu vom Weizen. Der Klub der 25 Fuß Waimea Surfer oder der 60 Fuß Jaws Surfer ist ein exklusiver Klub, da ist es schwer rein zu kommen also fast wieder ein bisschen wie bei den Ali’is von einst.
Haole-Localism – Wer ist der Feind?
Der Feind ist die Ignoranz und Gier der Leute egal welcher Herkunft. Die Gier der Einwanderer hat zum Frevel geführt, dessen Konsequenzen wir noch Heute spüren. Die Ignoranz gegenüber dem Fakt, dass frühere hawaiianische Könige diesen Frevel zugelassen und selber der Gier verfallen sind, ist eine der Quellen für den vereinzelten Fremdenhass auf Hawaii. Das Selbe gilt auch für die heutige Politik hier.
Quintessenz
Lange Rede kurzer Sinn: Wir sind alle verantwortlich für Segen oder Fluch. Egal welche Destinationen wir frequentieren, wir sollten uns immer bewusst sein, dass unser handeln Spuren hinterlässt: Der Aufschlag eines Bootsankers auf dem Riff, das Knacken der Korallen, wenn wir bei Ebbe übers Riff laufen, die Abwässer der Bungalows am Surfspot und so weiter.
Respekt the Locals, Respekt People, damit die schönste und vielleicht älteste Sportart der Welt auch das bleibt was sie ist: Ein Segen.
Fakten zur Geschichte von Hawaii
Ca. 750 Erste Migrationen von Polynesiern
1778 James Cook entdeckt die Inselgruppe
1820 Christliche Missionare erreichen Hawaii
1848 Der Feudalismus erreicht Hawaii, etabliert von Großgrundbesitzern und Exporteuren von Zuckerrohr
1893 Die letzte Königin von Hawaii Prinzessin Liliuokalani wird gestürzt.
1900 Hawaii wird US-Territorium
1937 Der Versuch Hawaii zum US-Staat zu machen wird vom Kongress abgelehnt
1941 Die Japaner zerstören Pearl Harbor
1959 August 21 Hawaii wird US-Staat
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